Stabilisierung flüssiger Lebensmittel ohne Konservierungsstoffe

Biogene Stoffe wie Lebensmittel müssen für die Lagerung oder den Transport durch Inaktivierung der mikrobiologischen Kontamination stabilisiert werden.

Rotwein im Fass
© Fraunhofer IGB
Rotwein im Fass beim Projektpartner Tenute dei Vallarino, Italien
Anlage zur Behandlung von Getränken
© Fraunhofer IGB
Anlage zur Behandlung von Getränken mit der Druckwechseltechnologie.

Etablierte Verfahren zur Konservierung von Lebensmitteln wie die Hitzesterilisierung oder Pasteurisierung haben häufig den Nachteil, dass sie wertvolle hitzeempfindliche Inhaltsstoffe der Nahrungsmittel wie Vitamine zerstören und so den Nährwert reduzieren. Auch die Zugabe chemischer Konservierungsstoffe kann negative Auswirkungen auf die Produktqualität und somit für den Verbraucher nach sich ziehen. Zudem werden EU-Richtlinien (2003/89/EG) bezüglich der Zugabe von Hilfsstoffen mit potenziellem Allergierisiko (z. B. Schwefeldioxid) in Lebensmitteln ebenso wie deren Verwendung in nicht-alkoholischen und alkoholischen Getränken immer strenger. Alternativen zur Entkeimung sind daher gefragt.

Entkeimung mit physikalischen Verfahren

Die Entwicklung neuer Verfahren zur biologischen Stabilisierung bzw. Entkeimung und dadurch zur Konservierung von Lebensmitteln, Kosmetika und Arzneistoffen ist ein Forschungsschwerpunkt am Fraunhofer IGB. Untersucht werden vor allem physikalische oder chemisch-physikalische Verfahren zur Inaktivierung kontaminierender Mikroorganismen wie beispielsweise die Druckwechseltechnik.

Ein Fokus liegt auf Inaktivierungsmechanismen von Prozessen sowie die Wechselwirkung der verschiedenen Parameter im System (Temperatur, Druck, Partikelgröße, Viskosität, pH-Wert usw.) zu verstehen und zu beschreiben, um die Prozesse technologisch zu optimieren und in einen Produktionsprozess umsetzen zu können. Dabei wird Wert darauf gelegt, dass die Inhaltsstoffe der Produkte möglichst schonend behandelt werden und ihre biologische Funktion bei der Behandlung nicht beeinträchtigt wird.

Druckwechseltechnologie

Die Druckwechseltechnologie (pressure change technology, PCT) ist ein nicht-thermisches Verfahren zur Behandlung von Flüssigkeiten mit suspendierten Partikeln. Das Produkt wird mit einem inerten Gas unter Druck vermischt und dann schlagartig entspannt. Es kommt zum Zellaufschluss von Mikroorganismen oder zur mechanischen Schädigung der Oberfläche von beispielsweise Sporen oder Enzymen.

Das Verfahren wird vorzugsweise zwischen 5 °C und 40 °C bei Drücken bis ca. 50 MPa angewendet. Die zu behandelnde Flüssigkeit bzw. Suspension sowie das Arbeitsgas (z. B. Argon oder Stickstoff) werden jeweils unter Arbeitsdruck gesetzt und danach homogen vermischt. Bei Mikroorganismen mit Zellmembranen diffundiert das Gas transmembran in die Zellen, bis das Zytoplasma mit Gas gesättigt ist. Wenn das Gemisch anschließend schlagartig wieder auf ein niedrigeres Druckniveau entspannt wird, nimmt das Gas dadurch ebenso schlagartig wieder seinen ursprünglichen Aggregatzustand an. Hierdurch werden die Zellen zerstört. Durch kavitative Effekte entstehen aber auch an Partikeloberflächen Schädigungen, beispielsweise Erosionen an Sporen.

Konservierung von Wein

Für die Konservierung von flüssigen Lebensmitteln wie Fruchtsäften oder Wein wurde die Druckwechseltechnologie zu einem kontinuierlichen Verfahren weiter entwickelt und die Auswirkung der Prozessparameter auf verschiedene Produkte untersucht.

In dem von der EU geförderten Projekt PreserveWine wird die Druckwechseltechnologie als Alternative zur Zugabe des Konservierungsstoffs Schwefeldioxid in verschiedenen Prozessschritten der Weinherstellung untersucht. Ziele des Projekts sind sowohl die Inaktivierung von Mikroorganismen nach der alkoholischen und malolaktischen Gärung als auch der Schutz des Weins gegen Oxidation durch eine inerte Atmosphäre. Für erste Tests mit Wein wurde eine Batch-Anlage gebaut.

Derzeit wird das Verfahren in Kooperation mit dem Institut des Sciences de la Vigne et du Vin in Bordeaux mit Wein validiert. Dabei werden verschiedene Parameter wie Temperatur, Retentionszeit und Gastyp und die Auswirkung auf Wein-relevante Hefen (z. B. Saccharomyces cerevisiae) und Bakterien (z. B. Lactobacillus sp.), aber auch physikalisch-chemische und sensorische Eigenschaften des Produkts untersucht.

Eine kontinuierliche Anlage für die spezifische Anforderung der Weinproduzenten wurde konzipiert und wird derzeit gebaut. Das Verfahren wird anschließend in weiteren Versuchen für die Anwendung in der Weinproduktion optimiert und mit Rot- und Weißwein von Anwendern in Italien und Frankreich validiert.

In Rahmen der Aktivitäten wird der Gesamtprozess von der Produktentwicklung, Verarbeitung und Stabilisierung bis zur Anlagentechnik unter Berücksichtigung gängiger GMP-Standards (Good Manufacturing Practice) und Risikoanalysenverfahren wie HACCP (Hazard Analysis and Critical Control Points) analysiert und validiert.