Lebensmittellabor im Handy

Dem Food Scanner einen Schritt näher

Das Thema »Food Scanner« gewinnt zunehmend an Bedeutung. Auch die Europäische Kommission hat das Thema als wichtig erkannt und fördert die Entwicklung entsprechender Technologien. Als führende Einrichtung für angewandte Forschung in Europa engagiert sich die Fraunhofer-Gesellschaft auch im Bereich der Lebensmittelforschung. Seit knapp 10 Jahren ist hier die Fraunhofer-Allianz Food Chain Management auch auf dem Gebiet der spektroskopischen Lebensmittelanalytik aktiv. Als Teil der Allianz hat das Fraunhofer Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS in Dresden eine Idee zum Patent angemeldet, die es ermöglicht, mit einem Smartphone nicht nur Lebensmittel zu analysieren, sondern diese auch zu vermessen und ihren Nährwert zu berechnen.

Food Scanner
© Fraunhofer IPMS
Food Scanner

Mit seiner neusten Patentanmeldung treibt das Fraunhofer IPMS das Thema »Food Scanner« weiter voran: Das Mobiltelefon soll nicht nur einzelne Lebensmittelerzeugnisse hinsichtlich ihrer Qualität analysieren, sondern zum individuellen Ernährungs- und Fitnessberater werden. Neben der Bestimmung der Qualität einer Speise wird diese per 3D Triangulation vermessen, wodurch sich die Menge und der echte Nährwert ermitteln lassen. Anschließend bringen intelligente Algorithmen diese Daten mit den individuellen Parametern des Nutzers (Größe, Gewicht, usw.) sowie Daten der Bewegungsanalyse zusammen. Hieraus wird das Verhältnis von Nährwert-Aufnahme und -Verbrauch ermittelt und eine Empfehlung für den Nutzer ermöglicht.

Die zugrundeliegenden Technologien sind seit langem bekannt. Als industrielle Lösungen wird mit ihnen zum Beispiel der Reifegrad oder der Zuckergehalt von Früchten gemessen. Bei diesen Anwendungen handelt es sich allerdings jeweils um die Lösung auf eine spezifische Fragestellung. Für die Breitenanwendung interessant sind aber vor allem flexible Einsatzmöglichkeiten der so genannten Food Scanner. Hierfür müssen Informationen, die heute nur in komplexen Laboranalysen ermittelt werden können vor Ort, ins Handy der Nutzer gebracht werden. Das ist Aufgabe der Mikrosystemtechnik.

Zusätzliche Hardwarekomponente

Tieferliegende Informationen über die Zusammensetzung, wie beispielsweise Aussagen über den Reifegrad von Obst, die Frische von Gemüse oder den tatsächlichen Fett- und Eiweißgehalt von Fleischstücken, können berührungslos mit hochwertigen Spektralanalyseverfahren in passenden Spektralbereichen erfasst werden. Diese und andere wichtige Banden der organischen Verbindungen in Lebensmitteln befinden sich im nahinfraroten Spektralbereich oberhalb von 750 nm, der aufgrund des Silizium Kamerachips sowie der gebräuchlichen Kamerakonfiguration (IR-Filter) und der integrierten Beleuchtungstechnik in herkömmlichen Handykameras nicht gemessen werden kann. Daher wird zusätzlich zur Kamera eine weitere Hardwarekomponente benötigt, die in der Lage ist spektralanalytische Messungen durchzuführen. Dies sind unter anderem die Inhalte aktueller Arbeiten und Patentanmeldungen des Fraunhofer IPMS.

Das Labor im Telefon

Es befinden sich bereits Ansätze in der Entwicklung, miniaturisierte Systeme direkt in das Handy einzubauen, um die Systemkomponenten direkt nutzen zu können. Derzeit ist jedoch insbesondere die Baugröße noch eine Herausforderung, da Handyhersteller eine Bauhöhe von maximal 4,5 mm fordern. Solche Technologien werden Am Fraunhofer IPMS mit seinen speziellen Verfahren zur Herstellung extremer Miniaturisierung entwickelt.

Mehr als eine Frage der Hardware

Um brauchbare Informationen aus einer spektralen Messung zu generieren, sind bei der Auswertung der Daten einige Einflussgrößen zu bedenken. So müssen Faktoren, wie Art und Bautyp des Sensors sowie Unterschiede hinsichtlich der Beleuchtung oder der Messposition berücksichtigt werden. Zusätzlich muss die Auswertung auch die Variabilität des »spektralen Fingerabdruckes« der gemessenen Produkte berücksichtigen. So unterscheidet sich zum Beispiel die Reflexionsbandbreite von Fett in Rindfleisch von der von Fett in Käse oder in Fisch. Gleiches gilt für Proteine und Kohlehydrate. Für die Kompensation dieser Einflussgrößen bedarf es Vorwissen, das entsprechend der jeweiligen Messung adaptiert wird. Die komplexe Auswertung von Lebensmittelmessungen erfordert daher softwarebasierte Auswerteroutinen und Referenzdaten aus einer umfangreichen Datenbank die ständig durch Referenzanalysen verifiziert und aktualisiert werden, wie sie das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB in Karlsruhe entwickelt.

Interdisziplinarität ist gefragt

Neben der Expertise in der Mikrosystemtechnik ist die laborbasierte Referenzanalytik entscheidend. Dabei sind exakte Kenntnisse der komplexen Lebensmittelmatrix maßgeblich. Das Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME in Schmallenberg liefert in der Lebensmittelanalytik mit seiner Expertise in Probennahme, Probenvorbereitung sowie der chromatographischen Spurenanalytik wichtige Benchmarks.
Diese Synergie ist bisher einzigartig.

Parallel zu Aussagen zur Qualität und den ernährungsphysiologischen Kennwerten wird immer wieder auch die Kontamination von Lebensmitteln kritisch diskutiert: Sei es durch Schimmel, mikrobiologische Abbauprodukte (»Gammelfleisch«) oder chemische Substanzen (Umweltkontaminanten, Pestizide). In diesem Bereich sind die erforderlichen Nachweisgrenzen jedoch so klein, dass eine Schnellanalytik zum Beispiel mit Spezialverfahren wie Fluoreszenz- oder Ramanspektroskopie denkbar wäre. Das Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM arbeitet intensiv an der kostengünstigen Miniaturisierung solcher Systeme, um solche Anwendungen einer breiten Zielgruppe zugänglich zu machen. Es ist also denkbar, dass in absehbarer Zeit alle Komponenten zusammen geführt werden können und über Korrelation und Vernetzung Informationen bereitzustellen, die heute nur in Speziallaboren zugänglich sind.

Kontakt: heinrich.grueger@ipms.fraunhofer.de

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